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Einsame Tänze: Perikles Monioudis macht Fred Astaire zum Romanhelden

CICERO / April 2016

Der fragile Zauber des Schönen beruht auf seiner Vergänglichkeit. Keine Perfektion vermag der Endlichkeit zu trotzen, so vehement sie auch verfolgt wird, so unantastbar sie auch scheint. Bekommt die Oberfläche Risse, wird ihr Glanz fahl und ihr Widerschein stumpf, ist Zeit für den düsteren Abgesang. Was war ist vorüber, übersättigte Bewunderung weicht der voyeuristischen Freude am Scheitern. „War da etwas Vergnüglicheres, als Dilettanten beim Scheitern zuzusehen? Ja, die Begabten in ihrem Scheitern zu verfolgen, das dann einem wirklichen Scheitern gleichkommt. Dem umfassenden Mißerfolg der Begabten beizuwohnen, der Tragödie, ihrer Tragödie, das ist das Größte.“

In seinem Roman „Frederick“ zelebriert der Schweizer Schriftsteller Perikles Monioudis die wahnhafte Angst vor dem Scheitern und nähert sich mit dem sezierenden Blick eines Seelen-Forschers dem Inbegriff perfekter Ästhetik: Fred Astaire, Steptänzer, Jahrhundertkünstler, akribischer Perfektionist und introvertierter Grübler, besessen vom Rhythmus und akkurat bis zur Selbstzerfleischung. In distanziertem Grundton und auf wechselnden Zeitebenen erzählt Monioudis die Geschichte dieses sonderlichen Mannes, der – so unterstellt es zumindest der Autor – stets verfolgt wurde von der Angst vor der Vergänglichkeit des Schönen, und der es doch zu Weltruhm brachte mit seiner Kunst. „Frederick klopfte sich durchs Leben“, schreibt Monioudis, „ein menschliches Schlagzeug“, ein Getriebener des Taktes, für den sein Tanz nichts weniger war als sein Ich.

Von den tristen Bühnen und stickigen Hinterzimmern in der Peripherie über den pochenden New Yorker Broadway bis hin zu den Filmstudios in Hollywood folgt Monioudis dem immerwährend zweifelnden Frederick, der begleitet wird von seiner Mutter Ann, die den gesellschaftlichen Aufstieg krampfhaft herbeisehnt, sowie von seiner Schwester und Tanzpartnerin Adele, die launisch, emotional und rastlos seinen Widerpart gibt. Schon früh aber betreten auch andere Figuren die Szenerie: Erst raunen sie nur im Kopf Fredericks, höhnisch lachende Alter Egos, die sein baldiges Scheitern prophezeien; bald aber werden sie zu beunruhigenden Weggefährten, die sich als Schreckgespenster der Angst in sein Bewusstsein drängen und selbst die größten Erfolge in Frage stellen. Ob der alternde Tänzer in der Garderobe, der Postbote oder der Chauffeur – allen Visionen gemein ist die hässlich entstellte Fratze und eine elendige Langsamkeit, die schleichend von ihnen Besitz ergreift und sie lähmend zu Boden zwingt. Der Erfolg erscheint als Magnet des Niedergangs. Täuschung, Traum und Wirklichkeit verschwimmen und immer dichter wird das argwöhnische Drehbuch des Verfalls, in dem Frederick die Hauptrolle spielen soll.

Kultivierte Perikles Monioudis bereits in früheren Werken die fröstelnde Aura eines unterkühlten Realismus, so treibt er sie in „Frederick“ kunstvoll durchkomponiert auf die Spitze. In akribischen Szenen- und Gedankenbeschreibungen durchdringt er die fragile Welt auf und hinter der Bühne, bringt sie stets aufs Neue ins Wanken und bemisst so jene Fallhöhe, die der Erfolg und die Angst zugleich mit sich bringen. Es ist, als wäre die Handlung in fahles Licht getaucht: Befremdend und distanziert erscheinen die Charaktere, jeglicher Spannungsaufbau wird verwehrt, jegliche Identifikation verweigert. Das Ergebnis ist ebenso faszinierend wie emotionsarm. Systematisch auf Distanz gehalten, bietet sich dem Leser das unterkühlte Psychogramm eines Besessenen und nicht zuletzt eine kulturpessimistische Bestandsaufnahme: Der Perfektionswahn eines Fred Astaire scheint Geschichte zu sein, der dumpfe Durchschnitt die Realität.

Dorothea Walchshäusl