Eine begeisternd andere Art von Austria-Pop

Ludwig Hirsch mit „Vielleicht – zum letzten Mal“ in der Dreiländerhalle – Stehende Ovationen

Passauer Neue Presse Lokales / 2. November 2010

Austria-Pop. Das riecht nach Kässpatzen auf der Berghütte, das klingt nach rauhbeinigen Liebesschwüren und Lebensweisheiten zum Mitschunkeln. Eigentlich. Einen aber gibt es, der beim Austria-Pop die Vorzeichen umkehrt und der jetzt, nach 30 Jahren als Liedermacher, mit seinem Programm „Vielleicht – zum letzten Mal“ auch in der Dreiländerhalle musikalische Bilanz gezogen hat. Ludwig Hirsch ist kein Mann der großen Worte, er verzichtet auf jegliche Showeffekte, ja schleicht eher auf der Bühne als dass er auftritt und sitzt schließlich mit angezogenen Füßen und gebeugter Haltung vorm Publikum. Das könnte irritierend wirken, Ludwig Hirsch aber schafft damit eine Atmosphäre gespannter Konzentration in absoluter Hingabe an Musik und Wort. Und während er nur ab und an die Hände leicht bewegt, während er mit fast starrem Blick das Publikum fixiert, treibt sich seine vibrierende heisere Basssstimme dort herum, wovon andere sich fernhalten: In fauligen Gräbern, den Gehirnen von Kindsmördern oder den Träumen des ausgenutzten Dorftrottels. Meist lauert der gemeine Nebensatz, das argwöhnische Detail dabei am Schluss des Liedes, trifft dann am schmerzhaftesten, wenn der Zuhörer sich gerade eingelullt durch die beschauliche Gitarrenbegleitung (fantastisch die Band) so richtig entspannen will. Mit morbidem Charme, mit Lust an der Gänsehaut und am Unangepassten führt Hirsch das Publikum hinters Licht. Dort, wo STS rührend dem verstorbenen Großvater nachtrauern, lässt Hirsch mit ordentlich Zynismus seine „Omama“ zwischen Spitzendeckerl, Hitlerbild und Grammelschmalz auferstehen. Dort, wo sich andere in die selige Kindheit zurückträumen, prangert Hirsch in „Spuck den Schnuller aus“ oder im gruselig aktuellen „Herrn Haslinger“ den Kindsmissbrauch an. Und wenn Hirsch vom alten, einsamen Wolf singt oder vom raunzigen Kater, dann scheint er sich wiederzufinden – markant, eigen und den Launen des Lebens ausgesetzt. Es gibt aber auch noch einen anderen Menchen und Musiker Ludwig Hirsch, der sich am Abend in der Dreiländerhalle nach der Pause offenbart. Einen Menschen, der mit leiser Poesie und melancholischen Texten über das Leben nach dem Tod nachdenkt. Einen Menschen, der von der Liebe singt ohne je schwülstig zu werden, der einem die Tränen in die Augen treibt ohne je sentimental zu werden. Fast wäre es passiert, dass das Konzert mit dieser Mischung aus makabrem Mut und tiefer Traurigkeit zu Ende geht. Wäre da nicht der rechte Mundwinkel von Ludwig Hirsch, der am Ende, ganz am Ende, endlich deutlich nach oben geht. Einmal tief durchgeatmet und dann: Standing Ovations.