Sein Schmäh und seine Wut

Passauer Neue Presse / November 2022

Mit Legenden auf der Bühne ist es so eine Sache. Abnutzungserscheinungen sind möglich, Enttäuschungen ebenso, Risiken und Nebenwirkungen des Alters eben. Mit etwas Glück aber machen das Lebenserfahrung und Reife wieder wett. Bei Rainhard Fendrich, der am Sonntag im Rahmen seiner „Starkregen“-Tour in der voll besetzten Dreiländerhalle zu Gast war, ist Zweiteres der Fall.

Ob Drogensucht oder zerbrochene Ehen: Fendrich hat einiges erlebt und es ist ihm ins Gesicht geschrieben. Die Furchen sind tiefer geworden, die Haare grauer. Seine kraftvolle Stimme aber, sein Schmäh, seine Wut und seine kernige Präsenz sind unverkennbar, angereichert durch die Tiefe und Ernsthaftigkeit eines älteren Mannes auf der Suche nach dem Sinn. Seit mehr als 40 Jahren steht der 67-Jährige mit dem kantigen Gesicht auf der Bühne, sie ist sein Zuhause, sein Show-Raum und nicht zuletzt der Ausgangsort für seine Mission. Denn Fendrich will weit mehr als „nur“ unterhalten. Als kritischer Beobachter von Gesellschaft wie Politik appelliert die Austropop-Ikone daran, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen und singt mit Nachdruck an gegen die Oberflächlichkeit, Falschheit und Rassismus. „Ned nur schwarz oder weiß, wir sind alle grundverschieden“ singt Fendrich, dabei seien da gleichzeitig doch ein Herzschlag und rotes Blut in jedem von uns.

Kraftvoll begleitet von seiner vier-Mann-starken Band mit Gitarre, Bass, Schlagzeug und Keyboard legt der Sänger seine markante Stimme über mal funkig pulsierende, mal eingängig groovende Gitarrensounds. Seine Texte betören währenddessen mit rauer Poesie – „die Alltagsflecken auf der Seele gingen einfach nicht mehr raus“ – und hintergründigem Witz. Dann entlarvt er die „Social Media Zombies“ unserer Tage oder spielt selbstironisch mit dem Macho-Männergehabe oder dem effekthascherischen Showbusiness, wobei er beides ebenso selbst bedient wie hinterfragt.

Umrahmt von einer spektakulären Lichtshow, mischt Fendrich im Laufe des Abends wohldosiert neue Songs mit altbekannten Hits und erweckt die „Schickeria“ ebenso zum Leben wie er martialisch „Es lebe der Sport“ in die Menge ruft. Etliche seiner alten Lieder sind dabei erschreckend aktuell, ob es sich um den Evergreen „Tango Korrupti“ handelt oder seinen anklagenden Song „Kein schöner Land“ über die Flüchtlingsströme. „Nur die, die wandern, finden wieder zurück“ aus dem tiefen Tal, heißt es in Fendrichs Lied „Die, die wandern“. Hadernd, scheiternd und ringend ist er selbst fraglos noch immer auf der Wanderschaft – seiner Kunst tut das nur gut.

Zum Zugabenblock dürfen die Fans endlich tanzend und singend vor die Bühne, Handys werden gezückt und Fendrich spielt routiniert „ein paar alte Hüte“, wie er sagt – „Oben ohne“, „Strada del Sole“ und das unvermeidliche „Bergwerk“ inklusive. Das könnte der umjubelte Abschluss sein, das Publikum ist längst zufrieden. Fendrich aber will mehr und stimmt ganz am Ende sein Lied „Frieden“ an. Da ist er wieder, der Missionar.